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Zu süß ist der Geschmack der schnellen Lösung

In der Unternehmensentwicklung geht es oft darum, Ergebnisse zu erzeugen, und wenn denn möglich, das so schnell wie es geht. Was aus kaufmännischer Sicht völlig nachvollziehbar ist, schlägt der sozialen und persönlichen Erfahrung vieler Menschen aber oft deutlich ins Kontor. Der zuckersüße Geschmack der Effizienz ist leider so verführerisch, dass nach der Effektivität zunehmend weniger gefahndet wird. Zu süß ist der Geschmack der schnellen Lösung – ob im Persönlichen oder im Bezug von bezahlten Leistungsprozessen, die Menschen gehen lieber den schnellen Weg, als den nachhaltigen oder den erfahrungsreichen.

Zahlreiche bekannte und vielleicht noch nicht beschriebene psychologische Effekte stehen im Zusammenhang mit der Bevorzugung von schnellen Lösungen im Alltag von Unternehmen und uns Menschen ganz allgemein. Einen der prägnantesten „Mechanismen“, der auch von den Systemen her beeinflusst wird, in denen man so täglich oder regelmäßig unterwegs ist, stellt die Pfadabhängigkeit dar. Unklar bleibt bis heute, warum dieser komplex wirkende Effekt nicht viel populärer in den einschlägigen Medien, insbesondere auch der Beratungsbranche, publiziert ist.

Pfadabhängigkeit beginnt langsam und kann sich bis zum Gruppendenken steigern

Der in der Psychologie lange bekannte Effekt des Gruppendenkens (groupthink) beschreibt das Ergebnis von sozialen und psychischen Prozessen innerhalb von Gruppen, bei denen schlechte Entscheidungen von erfahrenen, kompetenten und aber eben nicht von ausreichend reflektierten Gruppenmitgliedern getroffen werden. Die Nützlichkeit dieser Entscheidungen ist von Menschen außerhalb dieser Gruppe in keiner Weise nachvollziehbar und das Scheitern von Vorhaben oft absehbar. Einzelne Gruppenmitglieder hätten sogar völlig andere Entscheidungen getroffen, haben sich aber eben der Gruppendynamik „hingegeben“.

Besonders eingeschworene Teams laufen Gefahr, in einer Kombination von gruppendynamischen Prozessen, der Pfadabhängigkeit und der Notwendigkeit des Handelns bzw. Entscheidens eine eigene Weltsicht heraufzubeschwören, die kaum noch Bezug zur Realität hat. Nicht selten schaut man von außen auf solche Prozesse und kann nur noch den Kopf schütteln, wie es zu solchen eklatanten Fehlleistungen kommen kann.

Was macht die schnelle Lösung so schmackhaft?

Besonders in Krisenzeiten sind natürlich schnelle Lösungen notwendig! Außerhalb von kritischen Situationen ist das Genießen schneller Lösungen aber mindestens genauso beliebt. Woran liegt das? Ohne auf Vollständigkeit an dieser Stelle zu hoffen, hier ein paar Gründe:

  • Die schnelle Lösung lässt sich im Unternehmens- oder Führungsalltag super verkaufen.
  • Bei einer Vielzahl von schnellen Lösungen lässt sich kaum noch die Wirksamkeit von einzelnen Entscheidungen oder Maßnahmen nachvollziehen. Der Blick bleibt sozusagen an der heldenhaft großen Zahl von geschaffenen Lösungen hängen und verschiebt jede deutliche Nachfrage zur Effektivität in das Reich der Netzbeschmutzung.
  • Managerinnen und Manager, die viele schnelle Lösungen in einer Zeiteinheit „X“ präsentieren, gelten als kompetent und fleißig.
  • Die Lust darauf, eine „Sache“ eben abhaken zu können, um sich der nächsten wichtigen oder dringenden Angelegenheit widmen zu können.
  • Der Glaube daran, dass es in einer komplexen Welt ohne schnelle Lösungen nicht geht.

Beispiele für zu schnelle Lösungen, mit teilweise heftig bitteren Nachgeschmack

  • Der so genannte Dieselskandal in der Automobilbranche ist wahrscheinlich der Mehrheit, der hier Lesenden bekannt.
  • Zahlreiche politische Entscheidungen und Maßnahmen in Bezug zur immer noch andauernden Coronakrise, deren Wirksamkeit zweifelhaft ist, aber eben immer wieder gern neu entschieden werden, weil es an erkennbaren Alternativen mangelt, so erscheint es jedenfalls den Agierenden.
  • Das sich, nicht mehr hinterfragende, Verlassen auf Kennzahlen, insbesondere in allen Bereichen, in denen es um menschliches Sosein geht (in Leistungsprozessen gern mit „HR“ zusammengefasst), wenn der von allen akzeptierte Wert „X, Y oder Z“ im Toleranzbereich liegt, ist alles gut – an dieser Stelle würde man noch nicht mal mehr die Notwendigkeit der Lösungssuche erkennen.

Die Liste lässt sich mit aktuellen und historischen Beispielen beliebig lang fortsetzen.

Schmecken denn mittel- und langfristig angelegte Lösungen bitter?

Nochmals sei betont: in kritischen Zeiten ist eine Lösung – oder auch eine schlechte, weil vielleicht nicht alle Informationen enthaltende – oft besser als gar keine Lösung! Denn nicht immer kann man sagen, sitze es einfach aus oder warte ab. Wenngleich die Entscheidung zum Abwarten eben auch eine mögliche Lösung ist! Diese lässt sich sozial aber oft nicht wirklich als eine solche solche „verkaufen“. Um mittel- oder langfristig angelegte Lösungen zu untermauern, greifen wir in unserer zahlen-, messbarkeits- und gutachtergeprägten Gesellschaft gern auf Studien zurück, die sich nicht nur mit Deskription begnügen. Systemisch gesehen besteht hier die Gefahr, dass sich sprichwörtlich die Katze in den Schwanz beißt.

Die Gläubigkeit an Wissenschaft und Expertentum hat ein Ausmaß im Jahre 2021 angenommen, dass man vor mittelfristigen Lösungen auch deswegen zurückschreckt, weil man dann womöglich genau weiß, dass seine lückenhafte Lösungsidee als solche später erkannt wird. Auf dem Weg dahin sind aber Geld- und Ressourcen und letztlich auch Zeit verbraucht worden. Wie wichtig der eigentliche Prozess des Probierens von nicht einfach Lösungen ist, setzt sich als Erkenntnis sich seit einigen Jahren immer mehr in der Beratung von Menschen, Unternehmen oder Organisationen durch. Das das aber etwas ist, was wir investieren müssen (Zeit der Erfahrung), um zu „ganzheitlichen“ oder eben langfristig zu besseren Lösungen zu gelangen, will sich bei vielen Unternehmen nicht wirklich als Einsicht verbreiten.

Die Arbeit von Lösungen mit Verfallsdatum wäre ein Ansatz, den man auch gut kommunizieren kann. Der beinhaltet auch die Möglichkeit, sich falsch entschieden zu haben. Den möglicherweise bitteren Geschmack von mittel- oder langfristigen Lösungen könnte man durchaus als eine Geschmackserweiterung im methodischen Sinne im Alltag verstehen und diesen somit vielleicht sogar versüßen.

Lesen und erfahren Sie mehr zur Pfadabhängigkeit:

Hier schreibt der Unternehmensberater, Coach und Organisationsentwickler, mit viel Lust auf Marketing und Vertrieb. Ich bin auch Vortragsredner, Workshopleiter, Supervisor, Unternehmer seit 1991, Leipzig-, Eilenburg- und Berlin-Versteher sowie deutschsprachig weit unterwegs, von Herzen Nordsachse, Optimist in den meisten Fällen, Blogger, Fotograf, Trainer, auch Ausbilder für Autogenes Training – kurz: vielleicht auch dein Entwicklungsspezialist?
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