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Agiledigitalitis, bevor der Virus dich trifft, schalte bitte dein Hirn ein – Digitalisierung 2.0

Trotz Digitalisierung und Agilität in der Kommunikation Brücken bauen!

Ich benutze selten drastische Worte hier im Streuverluste-Blog. Meist gibt es dafür zwei Gründe, entweder ich überzeichne stark, dann ist der Beitrag als Glosse gekennzeichnet oder aber es kommt einem wirklich die Galle hoch. Heute ist so ein dunkler Gallentag! Ich möchte von einem entzündlichen Vorgang in der Unternehmens- und der Beraterwelt berichten, die Krankheit nennt sich Agiledigitalitis. Sie wird übertragen vom vermeintlich dynamischen Neuheitenvirus, einem Gesellen, dem man sich heute kaum mehr entziehen kann. Er gaukelt Verbesserung vor, raubt Ressourcen und erzielt so das genaue Gegenteil. Der alte Witz, dass der Mitarbeiter morgens sein Gehirn beim Pförtner hinterlegt und es Abends wieder mit nimmt, erlangt in Digitalisierung-2.0-Zeiten eine groteske Allgemeingültigkeit.

Bevor ich zu den Einzelheiten komme, die mich zu diesem Blogbeitrag getrieben haben, ein paar Worte vorab. Technische Entwicklung ist gut und sinnvoll. Nicht das NEUE ist der Feind des GUTEN, sondern das GUTE NEUE überzeugt. Dazu muss ich mich aber mit dem Neuen befassen und es nicht einfach hirnlos auswalzen, nur weil es eben neu erscheint. New Work, agile Organisation und Digitalisierung wird immer wieder auch mit der NOTWENDIGKEIT der Entwicklung einer (neuen) Denkweise in Zusammenhang gebracht. Es scheint mir aber, dass viele an dieser Stelle nicht begreifen: Die neue Denkweise (Mindset) beginnt in aller erster Linie bei dem, der sich mit dem NEUEN befasst oder befassen muss! Üblicherweise erwarten wir immer von anderen, dass sie sich gefälligst der neuen Denkweise bemächtigen. Aber der betreffende agile Multiplikator beachtet das nicht. Achtsamkeit und Selbstreflexion bleiben im 21. Jahrhundert eine Kernkompetenz der gemeinsamen Arbeit und erfolgreicher Führung. Immer Weniger, so scheint es, können das oder wenden achtsame Verhaltensweisen im Alltag wirklich an. Wie ich darauf komme … ?

Vortrag und Präsentation aus dem Gruselkabinett der Agiledigitalitis

Vielleicht kennen Sie das – ein Redner, seines Zeichens übrigens Pädagoge, präsentiert ein tolles Thema vor einer Gruppe interessierter Unternehmer. Alle Nichtpädagogen lernen im Grundkurs Kommunikation den elementaren Satz:

Hole deinen Gegenüber da ab, wo er steht und bleibe mit deinen Zuhörern in Kontakt.

Was hingegen das ganz genau bedeutet, hängt auch von den Fähigkeiten des Senders ab! Wie wenig diese dafür geeignet sein können, wurde mir in einem Vortrag präsentiert, den ich schon vor längerer Zeit bei einer Veranstaltung in Berlin miterleben musste. Was war geschehen?

Der Vortragende spricht über die Vorteile und Vorzüge von Agilität und Digitalisierung in der Organisation eines coolen großen Unternehmens. Um die Gruppe der Zuhörer*in zu befragen, wird nicht etwa die Frage in die Runde gestellt, was denn nun Digitalisierung für die Anwesenden bedeutet und analog mit den Antworten umgegangen, nein: Der Pädagoge bittet die Teilnehmer*in sich via Funktelefon auf eine Plattform einzuloggen und dort hineinzuschreiben, welches Stichwort ihm oder ihr dazu einfällt.

Und tschüss Zuhörer

Was jetzt geschieht ist bilderbuchmäßig für den Verlust jedweden Kontaktes der Gruppe mit dem Redner. Rund 90 Prozent aller anwesenden Menschen zücken reflexartig das technische Gerät, ich mache das nicht!, und tippen irgendwas ein. Dieses zombihafte Bild – wie jeder in seinem tollen Smartphone gedanklich verschwindet – kann sich der Leser hier sicher gut vor Augen führen. Es wird still im Raum, wir erhalten zwischendurch die Information, dass schon Worte auf der Plattform angekommen sind. Nachdem man meint, dass jetzt jeder fertig mit Tippen ist, schaltet der Pädagoge die Stichwortwolke über die tolle Plattform sichtbar auf die Leinwand für alle und geht nach ZWEI SEKUNDEN DER WAHRNEHMBARKEIT der Information in seinem Text weiter. Als Teilnehmer konnte ich die Reaktionen der Menschen in der Gruppe wahrnehmen, und nicht nur ich war mehr als irritiert.

Nichtreflexion – Gefahr für das gute Neue

Hier hat die Agiledigitalitis mit voller Wucht zugeschlagen! Freiwillig macht jemand den digitalen Umweg zur Erkenntnis, verliert die Zuhörer*in, würdigt das Ergebnis in keiner Weise und wird so völlig unglaubwürdig für das was noch folgt. Ob die Teilnehmer*innen ihm das gesagt haben? Nein, in meinem Beisein nicht. Wessen Geistes Kind muss man sein, um so Agilität und Digitalisierung zu präsentieren? Das ist genau die Kultur der Nichtreflexion, die die größte Gefahr für das gute Neue darstellt. Blinde Technikmanie um der Technik willen, weil es ja so cool scheint. Ein Weg der gerade KMU so aus dem Rennen schleudert, weil wieder nur die neue Sau gesehen wird, die lustig durchs Dorf getrieben wird (werden kann …)!

Alternativen? Selbstverständlich!

Mit ein wenig NACHDENKEN wird auch dem Pädagogen hoffentlich einmal klar, dass direkte Kommunikation IMMER besser ist, zumal wenn es die Möglichkeit ohne große Umschweife dazu gibt. Gerade kürzlich habe ich von digitaler Souveränität gelesen, was an dieser Stelle nur zu konsequent wäre. Ich gehe aber davon aus, dass ein Mensch, sei er nun Pädagoge oder nicht, mit digitalen Mitteln dann souverän umgehen kann, wenn er im Rest seines Alltages auch Souveränität an den Tag legt.

Erfahren Sie mehr zum Thema Agilität und Digitalisierung:

Hier schreibt der Unternehmensberater, Coach und Organisationsentwickler, mit viel Lust auf Marketing und Vertrieb. Ich bin auch Vortragsredner, Workshopleiter, Supervisor, Unternehmer seit 1991, Leipzig-, Eilenburg- und Berlin-Versteher sowie deutschsprachig weit unterwegs, von Herzen Nordsachse, Optimist in den meisten Fällen, Blogger, Fotograf, Trainer, auch Ausbilder für Autogenes Training – kurz: vielleicht auch dein Entwicklungsspezialist?
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